Schauplatz Geschichte: Bei Seewadel wurde ein Landesverräter hingerichtet.
Es muss eine dramatische Szene gewesen sein, als am 10. November 1942 im Jonschwiler Süsack-Wäldli der 23-jährige Ernst Schrämli wegen Landesverrat erschossen wurde. Die nach ihrem Ausgang kurzfristig aufgebotenen 16 Soldaten hätten den Todeskandidaten persönlich gekannt, alle hätten gezittert, einige geweint. Die Hälfte der Soldaten hätten scharfe Munition, die anderen Platzpatronen erhalten, wie ein in der Nähe des Erschiessungsplatzes wohnhafter Bauer namens Wenger im Jonschwiler Jahrbuch 2012 zitiert wird. Geblendet vom Scheinwerferlicht hätten die Soldaten geschossen. Schrämli war einer von 17 Landesverrätern, die im Zweiten Weltkrieg in der Schweiz hingerichtet wurden.
Das Gebäude bei Seewadel unterhalb des Süsack-Waldes war damals ein Munitionslager. Es ist ein trister Ort, ein rechteckiger, grosser Bau mit alten Ziegeln gedeckt. Vier grosse graue Tore gibt es auf der einen Seite, Fenster hat der Bau keine. Umgeben wird das ganze Areal von mannshohem Maschendrahtzaun.
Was war geschehen im Zweiten Weltkrieg? Schrämli hatte dem deutschen Konsulat in St. Gallen vier Artilleriegranaten, eine Panzergranate, den Schlüssel eines militärischen Depots und einige offenbar nicht sehr wertvolle schriftliche Nachrichten und Skizzen vermittelt. Dafür erhielt er 500 Franken und die Aussicht auf ein deutsches Visum – Schrämli wollte offenbar weg. Der bekannte Journalist Niklaus Meienberg arbeitete 1975 in einem Artikel im Magazin des «Tages-Anzeigers» die Geschichte nochmals auf. Ein Jahr später lief ein Dokumentarfilm im Schweizer Fernsehen, Meienberg doppelte schliesslich zwei Jahre später mit einem Buch nach. Diese Berichterstattung löste in der Schweiz eine heftige öffentliche Debatte aus. Meienberg kritisierte die schonungslose Strafmaschine der Militärjustiz, während gegen hochrangige Armeevertreter und Wirtschaftschefs mit Milde verfahren werde, obwohl deren Verhalten in der Nazizeit den Tatbestand des Landesverrats viel eindeutiger erfüllen würden.
Ernst Schrämli hatte ein schwieriges Leben, doch er war auch kein einfacher Mensch. Früh die Mutter verloren, der Vater Alkoholiker, hatte sich niemand um ihn und seine Geschwister gekümmert. Er geriet wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt, stand unter Vormundschaft, war in einer Erziehungsanstalt, kassierte militärische Strafen. Im Jonschwiler Jahrbuch wird Schrämli als unzuverlässiger Einzelgänger, Lügner und Psychopath beschrieben. Aber: «Schrämli hatte periodische Reueschübe, er sehnte sich alle paar Monate nach Unterordnung und Anpassung», schrieb Meienberg. So kam es, dass Schrämli sich für ein Visum ins deutsche Konsulat begab und dort auf einen Herrn Schmid traf, der ihm ein Visum und 500 Franken versprach, wenn er schweizerische Granaten und militärische Unterlagen liefere. Schmid sei «sehr väterlich zu ihm gewesen», schrieb Meienberg. Der Psychiater Hans-Oscar Pfister, der im Oktober 1942 ein Gutachten verfasste, sprach von einer «Hörigkeit gegenüber Schmid», gegen die Schrämli nicht ankommen konnte. Das Gutachten nützte dem Angeklagten allerdings nichts: Am 10. November lehnte der Bundesrat schliesslich dessen Begnadigungsgesuch ab, noch am selben Abend starb Schrämli.
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